Feuer entfachen oder Gefäße füllen: wie lernen wir am besten?

Beim Austausch mit verschiedenen Akteur*innen aus dem Bildungs-, Startup- und Forschungsbereich werden oft sehr unterschiedliche Grundhaltungen in Bezug auf das Lernen deutlich. Zum Beispiel erlebten wir dies bei der Tagung Quo vadis Forschung zu Schülerfeedback oder beim EdtechXEurope Startup-Pitch. Grundsätzlich lassen sich diese Unterschiede auf zwei Grundideen zuspitzen: „Das Entzünden eines Feuers oder das Füllen eines Eimers.“ Dies macht auch Justin Reich in seinem neuen Buch „Failure to disrupt“ deutlich.

Christopher CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Gefäße füllen oder Feuer entfachen

„Menschen bilden bedeutet nicht, ein Gefäß zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen.“ Diese Metapher ist über zweitausend Jahre alt und geht auf die antiken Denker Heraklit, Herodot, Aristophanes oder Plutarch zurück. Plutarch schreibt darüber in seinem Essay „Über das Zuhören“. Später wurde das Bild von Rabelais und Montaigne wieder aufgegriffen. Bis heute lässt sich das Spannungsfeld in der öffentliche Bildungsdebatte und bei den verschiedenen Edtech-Ansätzen auf diese beiden Grundhaltungen reduzieren. Justin Reich verdeutlicht dies in seinem Essay „Failure to disrupt“ anhand der amerikanischen Bildungsgeschichte.

Sozialer Konstruktivismus – Das Feuer

Die Anhänger des „Feuer“-Lagers halten sich an John Dewey (1859-1952), der feststellte: „Ich glaube, dass Bildung ein Prozess des Lebens ist und nicht eine Vorbereitung auf das zukünftige Leben.“ Lernen ist also für Dewey sozial situiert, Wissen wird durch Interaktion mit anderen konstruiert – und hört als Prozess nie auf. Eine Person erwirbt ein neues Verständnis auf der Grundlage des vorherigen Verständnisses im Kontext von Lerngemeinschaften. Forschende bezeichnen diese Idee als sozialen Konstruktivismus.

Instruktionismus – Der Eimer

Geht man jedoch von der Idee aus, dass Lernen darin besteht, einen bestehenden „Eimer“ mit Inhalt zu füllen, muss man zunächst messen, ob dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt noch halbleer ist oder sich bereits zu füllen beginnt. Edward L. Thorndike (1874-1949) war der Überzeugung, dass Lernen genau beobachtet und gemessen werden kann. Thorndike war ein früher Entwickler und Befürworter von standardisierten Tests, Lehrbüchern und Intelligenztests. Man könnte diese standardisierte Herangehensweise an das Lehren und Lernen als Instruktionismus bezeichnen.

Grundhaltung wird offensichtlich

Die öffentliche Schule sowie neue Lerntechnologien, die im 20. und 21. Jahrhundert aufkamen, orientieren sich jeweils an einer dieser beiden Ideen – entweder sie entfachen im Sinne von Plutarch/Dewey das Feuer für das Lernen an sich, oder, – und das ist weit öfter der Fall -, sie befüllen einen imaginären Eimer mit Wissen und Kompetenzen und treten dabei in die Fußstapfen von Thorndike. Meist ist es eine Kompromisslösung und vielleicht ist es auch gut so. Eine Kombination aus beiden Ansätzen könnte eine Schule sein, bei der Wissen messbar angereichert wird, Gefäße gefüllt werden und gleichzeitig ein Feuer, eine Leidenschaft für ein Thema entfacht wird. Man sollte jedoch dringend darauf achten, dass die Funken oder das Feuer nicht mit dem Eimer wieder gelöscht werden.

Feedback ist nicht gleich Feedback

Nach der Lektüre von „Failure to disrupt“ lässt sich auch der Hauptunterschied von Edkimo zu anderen Feedback-Apps wie beispielsweise Feedbackschule genau in diesen beiden Ansätzen finden.

Edkimo setzt auf einen konstruktivistischen Ansatz mit erprobten und von Lehrkräften selbst erstellten Fragebögen. Wissen über guten Unterricht ist sozial situiert: in dieser Schule, in dieser Klasse, mit dieser Lehrkraft, zu dieser Zeit. Der Lernprozess wird durch eigene Fragen, Rückmeldungen und Interaktion der Beteiligten gemeinsam gestaltet.

Feedbackschule versucht Lehren, Lernen und Unterricht stärker zu vermessen. Und zwar mit validierten Bögen, die zunächst einmal die deutsche Übersetzung und Anpassung des amerkianischen Tripod-7C-Frameworks sind und damit direkt instruktionistisch motiviert („to capture essential elements of instructional practice“).

Feedback ist also nicht gleich Feedback, denn die Konsequenzen der unterschiedlichen Ansätze spiegeln sich auch in der Software-Entwicklung wider. Lehrkräfte und Schulen haben die Wahl und können für das Tool entscheiden, das am besten zu ihnen passt.

Sebastian Waack (8.1.2021)

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